Kaum ein Thema hat so viel Reaktion, und so viel Zuspruch ausgelöst wie mein offenes Bekenntnis zum Schutz des Lebens von Schwerkranken, Alten und Menschen in Not vor der tödlichen Beihilfe zum Suizid.

Nicht, dass mich das wunderte - geht es doch um zutiefst menschliche Reaktionen, auch Ängste gerade Kranker und älterer Menschen vor dem Druck hin zu einem "freiwilligen" Ausscheiden aus dem Leben, um nicht länger "zur Last zu fallen". Aber es ist doch auch ein Zeichen für die Sensibilität, dass aufmerksam registriert wird, wie der Staat damit umgehen will, dass es "Geschäftsmodelle mit dem Tod" gibt - und dass diese Art von organisierter Beihilfe zum Suizid, von den Anbietern "Sterbehilfe" genannt, zu Widerstand führt. Es ist auch ein Bekenntnis zum Leben insgesamt, das sich in den Mails, dem Zuspruch und der öffentlichen Stellungnahme vieler Christen und auch Nichtchristen äußert. Man will kein "Spiel mit dem Tod", man will den Alten und Kranken die Würde sichern statt auf eine schiefe Bahn zu geraten. In Belgien wurde es jüngst dramatisch vorgeführt, wohin das führt: zwei taub geborenen und langsam erblindeten Zwillingen war der Mut zum Leben erloschen, und statt Hilfe zum Leben erfolgte die Beihilfe zum Tod.

Ist es das, was wir uns vorstellen für unsere Gesellschaft? Wollen wir, wenn's gar nicht "funktioniert", Leben aktiv töten, oder dabei helfen? Was ist mit dem an Down Syndrom erkrankten, zufriedenen Mann, der mir traurig klagt, dass er nach den nun möglichen Tests in der Schwangerschaft wohl gar nicht leben dürfte? Was ist mit der Rentnerin, die mir über ihre Angst schreibt, dass der Druck, und die Fremdbestimmung, in einer für sie später vielleicht einmal sehr schweren Lage so unaushaltbar würden, dass sie notgedrungen einem "freiwilligen" Suizid zustimmen könnte? Was ist, wenn Familien die zunehmenden Kosten der Pflege ihrer Eltern nur schwer oder gar nicht tragen können, mit der "Option", diese Belastung für die (Über-)Lebenden zu vermindern, wenn die Pflegbedürftigen den "letzten Ausweg" wählen - auch, um ihren Kindern "nicht zur Last zu fallen"? Was, so lautet die Frage, ist uns ein Leben, eine Hinwendung zum Leben wert? Wie stemmen wir uns gegen den Druck auf Menschen in Not, und wie organisieren wir bessere Hilfe zum Leben statt den falschen Weg der Hilfe zum Sterben zu gehen?

Das sind keine einfachen Fragen, weder menschlich noch in der Umsetzung in Gesetze. Dennoch muss der Grundsatz verteidigt werden, den Ärzte, Verbände, Kirchen und viele Betroffene nicht preisgeben wollen: der Mensch muss zum Leben helfen, er darf nicht zum Sterben drängen, weder direkt noch indirekt.

Begleitung auf dem schweren Weg, Auswege aus der Verzweiflung, mit Palliativpflege auch aus dem Schmerz, Hilfe bei Pflege in der Familie oder im Hospiz - das sind Wege, die menschlich sind und die wir stärken müssen.

In der letzten Woche wurde, nach dem Widerstand vieler Abgeordneter, auch von mir, ein inakzeptabler Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin gestoppt. Das ist ein Etappensieg in Form und Inhalt. Die Form war kritikwürdig, weil diese große ethische Frage kein Hau-Ruck-Verfahren verträgt. Inhaltlich hat die Ministerin das Ziel nicht erfüllt, dass Missbrauch gestoppt werden soll, im Gegenteil: ein Verbot allein von "gewerbsmäßiger" Beihilfe reicht nicht, denn dann würde organisierte Beihilfe durch Vereine möglich bleiben. Zudem würden erstmals nicht näher definierte "nahestehende Personen" straffrei gestellt. Damit würden die Dämme nicht gestopft, sondern breit durchlöchert. Wir wollen das Sichern der Dämme, das Verbot des aufgekommenen Missbrauchs durch ein ordentliches Gesetz - und nicht durch ein Gesetz, das als trojanisches Pferd den Missbrauch gar zu erweitern droht. Nun beraten wir neu, sorgfältig und mit Blick auf die Menschen in Not. Und darauf, wie wir ihnen helfen können, statt sie abzudrängen in den Tod. Ein Spiel mit dem Tod dürfen wir nicht beginnen. Das Leben, und auch das Sterben, in Würde bleibt das Ziel.

3.985 Z. inkl. LZ

Autorenzeile:

Michael Brand hält den vorgelegten Gesetzentwurf zur „Sterbehilfe“ für eine gefährliche Mogelpackung. Der Autor (39) gehört der CDU an und ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter aus Fulda.

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