Anschreiben von campact:

„Sehr geehrte hessische CDU-Abgeordnete des deutschen Bundestages,

wie ich erfahren habe, gibt es innerhalb ihrer Fraktion einige Widerstände gegen Demokratie in Deutschland, was mich ein wenig verwundert hat, da der Name Ihrer Partei cDu demokratisch beinhaltet und es sich von daher mir nicht erschlösse, wenn es sich bewahrheiten sollte. Gerade hier in Hessen baue ich darauf, dass Mitglieder einer demokratischen Partei auch für demokratische Inhalte stehen und fordere von Ihnen für dieses basale Versprechen einzustehen.“

 

Antwort von Prof. Dr. Matthias Zimmer MdB:

Sehr geehrter Herr Jonas Weber von campact,

ich weiß nicht, was mich an Ihrem Schreiben mehr ärgert: Die historische Unkenntnis, die sich darin manifestiert, oder die gewisse Rotzlöffeligkeit des Urteils. Deshalb, bevor ich Ihre Frage beantworte, ad usum delphini einige Vorbemerkungen.

Sie schreiben, es gäbe Widerstände gegen die Demokratie in der CDU-Bundestagsfraktion, nur weil dort wohlerwogene  Gründe gegen die von Ihnen gewollten direkten Volksentscheide vorgetragen werden. Sie unterstellen damit, die CDU sei nicht mehr demokratisch bzw. sei es nur dann, wenn wir Ihre Forderungen teilen. Ich gehöre einer Partei an deren Gründungsgeneration die Schrecken der Naziherrschaft am eigenen Leib zu spüren bekommen hat. Einige davon haben im Widerstand gegen das Naziregime ihr Leben riskiert. Ich erinnere nur an Jakob Kaiser, der einer der Namensgeber der Bundestagsgebäude ist. Ich könnte aber auch an viele kirchlich und gewerkschaftlich gebundene Mitglieder der Gründungsgeneration der Union erinnern. Ihnen war allen die Demokratie ein heiliger Schatz nach den Gräueln des Nationalsozialismus. Einige haben ganz bewusst das Ende der Weimarer Republik  erlebt und daraus die Konsequenz gezogen, die Demokratie selbst zu stärken. Vielleicht wissen Sie das alles nicht. Vielleicht ist Ihnen der beinahe existenzielle Ernst nicht bekannt, mit dem mit der Gründung unserer Partei Demokratie gelebt und verteidigt wurde. Ich kann Ihnen aber versichern: Dies ist nach wie vor der Fall.

Demokratie lebt von der Gewaltenteilung und der Repräsentation; das ist seit Montesquieu und Locke ein fester Bestandteil demokratischen Selbstverständnis. Zwar gibt es, etwa in der Tradition von Rousseau, auch durchaus Elemente identitärer und direkter Demokratie. Mir scheint aber, dass diese im terreur der Gesinnung unter Robespierre gründlich diskreditiert worden sind. Sie sind als Vorbild und Gestaltungsprinzip für unsere Demokratie wenig geeignet. Nicht wenige hatten bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland die große Sorge, dass es auch plebiszitäre Elemente gewesen sind, die mit zum Untergang der Weimarer Republik geführt hatte. Deswegen hat man Elemente direkter Volksentscheidung mit großer Vorsicht und Zurückhaltung betrachtet.

Ihre Sprache und ihre Unduldsamkeit mag auf Ihre Jugend zurück zu führen sein, aber sie könnte auch Ausdruck jenes terreur der Wohlmeinenden sein, die schon immer andere Meinungen nicht gelten lassen wollten und zunächst einmal als undemokratisch oder gegen den Geist der Demokratie diskreditiert haben. Das war und ist die Vorstufe totalitärer Denkhaltungen. Vielleicht tue ich Ihnen Unrecht, aber dann sollten Sie weniger missverständlich formulieren und einer Partei, die aus dem Terror des Dritten Reiches die Demokratie geformt hat unterstellen, wir seien nicht demokratisch, nur weil wir nicht Ihrer Meinung sind.

Und nun zur Antwort: Ja, ich lehne eine Ausweitung von Volksentscheiden auf Bundesebene aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Darüber diskutiere ich auch gerne, aber nicht mit Leuten, die mich dann antidemokratischer Umtriebe verdächtigen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Prof. Dr. Matthias Zimmer MdB

 

 

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