Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):
Danke schön, Herr Präsident! - Meine Damen und Herren! Hannah Arendt hat in einem ihrer wichtigsten Aufsätze, das Recht, Rechte zu haben, als einziges, als wichtiges Menschenrecht bezeichnet. Sie schrieb dies vor dem Hintergrund der Erfahrung, dass Menschen als Staatsangehörige ausgebürgert wurden und mit nichts zurückblieben als dem nackten Leben. Die alte Idee des Menschen als politischem Wesen, das einer Polis angehört und dadurch Rechte geltend machen kann, war damit aufgehoben und in gewisser Weise auch die Grundidee der Aufklärung, es sei der Staat, der die Menschenrechte garantiere. Die Idee universeller Menschenrechte nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichtet die Menschheit: Nie wieder soll es passieren, dass das Recht, Rechte zu haben, negiert wird. Der Mensch - das ist die Botschaft - ist wichtiger als der Staat.

Das ist eine revolutionäre Botschaft; denn sie stellt das wichtigste Strukturprinzip des internationalen Systems seit dem Westfälischen Frieden infrage: die staatliche Souveränität. Nein, Souveränität heißt nicht, dass der Staat tun kann, was er will. Souveränität ist auch nicht mehr, wie über lange Zeit, mit dem Prinzip der Nichtintervention verknüpft. Menschenrechte gelten universell; sie sind Ausdruck dessen, was Hans Jonas einmal die „Ethik der Fernverantwortung“ genannt hat.

Deswegen erheben wir unsere Stimme und klagen Menschenrechtsverletzungen an. Wir sind dankbar, dass das Deutsche Institut für Menschenrechte an unserer Seite ist. Wir sagen es an China: Die Verletzung der Rechte der Uiguren ist unerträglich. Wir sagen es an Russland: Willkürliche Inhaftierungen und die Tötung von Journalisten sind eine Verletzung der Menschenrechte. Wir sagen es an Saudi-Arabien, an Venezuela, der Türkei und vielen anderen: Menschenrechte sind unteilbar. Wir tun dies auch, wo es nicht leichtfällt, etwa wenn es darum geht, unseren amerikanischen Freunden zu sagen: Die leuchtende Stadt auf der Anhöhe, die Amanda Gorman so feierlich bei der Amtseinführung von Joe Biden beschworen hat, sie ist nicht zu sehen hinter dem Nebel von Guantánamo. Wir klagen an, wenn Menschenrechte verletzt werden: vor dem Weltgerichtshof als Weltgewissen, aber auch ganz konkret, etwa wenn Menschenrechte in Lieferketten verletzt werden oder wenn wir der Folterknechte dieser Welt habhaft werden. Und: Wir helfen den Opfern der Menschenrechtsverletzungen, auch mit den Mitteln des politischen Asyls.

Wir haben einen kritischen Blick auf die Menschenrechtssituation in Deutschland. Dabei hilft uns das Deutsche Institut für Menschenrechte als Monitoringstelle mit Blick auf die Behindertenrechtskonvention, die Kinderkonvention, aber auch mit Stellungnahmen zu grundsätzlichen Fragen des Menschenrechtsschutzes. Der Kollege Schwabe hat einiges dazu ausgeführt. Deshalb - diese Stellungnahmen sind nicht immer angenehm, aber doch notwendig - gilt mein Dank heute Beate Rudolf und ihrem Team vom Institut für ihre engagierte, manchmal mutige, aber immer kompetente Arbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, wir tun mehr. Wir dokumentieren Menschenrechtsverletzungen. Wir benennen die Folterknechte dieser Welt, die Unterdrücker der Rechte, die Verächter der Idee, dass der Mensch wichtiger ist als der Staat oder eine Ideologie. Ich wünsche mir gleichwohl mehr: mehr Aufklärung über die Menschenrechte - eine noble Aufgabe für das Deutsche Institut für Menschenrechte -, mehr Diskussion darüber, dass die Menschenrechte der Hebel sind, die Welt der Nationalstaaten zu überwinden, mehr Debatte vielleicht auch darüber, dass wir, wie es die katholische Kirche formuliert und bei liberalen Denkern wie Otfried Höffe widerhallt, eine föderale, subsidiäre Weltpolitik brauchen, auch als Ausdruck der politischen Verfasstheit der Menschheit, die Träger der Menschenrechte ist. Wie sagte Hans Jonas? Ich zitiere:

In ihrem Wetterleuchten aus der Zukunft … werden zuallererst die ethischen Prinzipien entdeckbar, aus denen sich die neuen Pflichten neuer Macht herleiten lassen.
Worauf könnten die Prinzipien beruhen, -

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):
- wenn nicht auf den Menschenrechten? Wäre es nicht Pflicht, mit dem Deutschen Institut zusammen, sich auf diese Pflichten vorzubereiten und sie argumentativ stark zu machen? Ich meine, ja.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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