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Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es mir eigentlich zur Angewohnheit gemacht, dass, bevor ich mich aufrege, ich mich erst mal gründlich informiere. Das habe ich in dem Fall jetzt auch gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aber zunächst einmal vielleicht zwei Worte zu dem Redebeitrag meines Kollegen Pascal Kober. Ich glaube, es ist nicht hilfreich, den Menschen, die jetzt von der Kündigung bedroht sind, das Argument vorzuhalten, das hänge ja alles mit viel Bürokratisierung zusammen - das tut es an der Stelle nicht - und in Estland sei das alles besser - nach dem Motto: Dann geht doch nach Estland!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war kein guter Beitrag für diese Menschen, lieber Pascal Kober.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege Zimmer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kober?

Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):

Nein, in Aktuellen Stunden gibt es keine Zwischenfragen, Herr Präsident.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Entschuldigung! - Gott, dass mir das passiert; unglaublich.

Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):

Es ist jetzt ein Traum für mich in Erfüllung gegangen, dass ich den Präsidenten mal korrigieren durfte. Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Und dann ein zweiter Gedanke, lieber Pascal Kober, zum Vertrauen in die Betriebsräte. Also, die Betriebsräte zu erwähnen, ist ja völlig in Ordnung, aber die werden natürlich erst dann tätig, wenn die Birne bereits gegessen ist. Ich habe da sehr viel mehr Vertrauen in die Kraft der Gewerkschaften,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

und ich will auch sagen, warum.

Wir haben einen ähnlichen Fall in Hessen gehabt, wo ein großer Anbieter - Continental - mehrere Firmen dichtmachen und die Produktionskapazitäten nach Ungarn verlegen wollte, und dagegen hat vor allen Dingen die IG Metall einen ganz massiven Widerstand organisiert. Ich bin selbst IG-Metall-Mitglied.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Gute Gewerkschaft!)

Das Ergebnis ist gewesen, dass wir am Ende des Tages die Arbeitsplätze haben retten können. Ich glaube, das ist der richtige Weg: Dass man um die Arbeitsplätze kämpft

(Beifall des Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE))

und nicht sagt, wir machen jetzt erst einen Sozialplan, und die ganze Sache ist dann schon vorbei.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Firma Sana begründet ihre Kündigungen mit - ich zitiere - „neuen Anforderungen, die eine deutlich höhere fachliche Führung, Prozessbegleitung und Prozessüberwachung“ erfordern. Das ist in Ordnung; das habe ich erst mal so zur Kenntnis genommen.

Dann habe ich wie andere auch hier im Plenum die Geschäftsberichte der Sana durchgeschaut, und da bin ich über eine Formulierung gestolpert, die mich hat hellhörig werden lassen. Da steht nämlich drin, die „Sana legt Wert auf eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung“ ihrer Mitarbeiter.

Da stehen jetzt auf der einen Seite die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter, auf der anderen Seite die neuen Anforderungen, die dazu geführt haben, dass die Kündigungen ausgesprochen werden. Da frage ich mich: Ja, warum hat dann die Sana nicht die Möglichkeiten genutzt, die wir beispielsweise mit dem Qualifizierungschancengesetz geboten haben, um Mitarbeiter weiterzuqualifizieren und in den Jobs zu halten?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist doch eigentlich der Königsweg aus einer solchen Krise, den wir als Gesetzgeber zur Verfügung gestellt haben.

(Johannes Schraps (SPD): Sehr richtig!)

Im Geschäftsbericht steht auch etwas von dem Ziel der „langfristigen Bindung“ der Mitarbeiter. Das finde ich ein gutes Ziel. Denn wir wollen keine hohe Fluktuation haben, sondern uns liegt daran, dass Menschen möglichst lange an ihrem Arbeitsplatz bleiben können, dass sie lange an ihren Arbeitsplatz gebunden werden und dass das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein kollegiales ist, dass man miteinander vernünftig umgeht.

Ja, aber dann frage ich mich angesichts eines solchen Verhaltens: Müssen dann die Ärzte, die Krankenschwestern, die Pfleger nicht glauben, dass sie jetzt die nächsten sind? Müssen sie jetzt nicht in der Angst leben, dass gegebenenfalls sie die nächsten sind, die daran glauben müssen, wenn Profitinteressen wieder über das Gemeinwohl und über die langfristige Bindung der Mitarbeiter gestellt werden? Ich glaube, da sind wir in einem äußerst schwierigen Bereich.

Das ist ein Bereich, meine Damen und Herren, der aus meiner Sicht vor allen Dingen die Eigentümer fordert. Ja, wer sind denn die Eigentümer von Sana? Die Eigentümer sind ja an das Gemeinwohl gebunden. Die Eigentümer sind private Krankenversicherer: die DKV AG mit 22,4 Prozent, die Signal Iduna, die Allianz Private, der Debeka Krankenversicherungsverein und die Continentale Krankenversicherung. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist gleichzeitig der CEO von Signal Iduna.

(Ulli Nissen (SPD): Hört! Hört!)

Diesen Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Leitermann würde ich hier an dieser Stelle gerne fragen: Ist es Ihre Auffassung von gesellschaftlicher Verantwortung, Schmiere zu stehen, wenn 1 000 Menschen entlassen werden?

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ist diese Maßnahme geeignet, Vertrauen in private Strukturen im Gesundheitswesen zu stärken? Müssen Patienten jetzt Angst haben, dass sie nicht mehr angemessen versorgt werden?
Ich glaube, es liegt auch nicht im Interesse dieser Krankenversicherer, dass diese Fragen gestellt werden.

(Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Wir sind ja daran interessiert, dass es eine Vielfalt von Krankenversicherungen gibt, dass es eine Vielfalt von Versorgungszentren gibt.

Deswegen ist mein Appell an die Sana: Überlegt euch das noch mal! Nehmt diese Sache zurück! Ich glaube, sie schadet mehr, als sie nutzt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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