Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss in diesen Tagen nicht an Upton Sinclairs Beschreibung der Schlachthöfe von Chicago denken, damit einem der Appetit vergeht. In Hessen ist vor einigen Monaten wegen unhaltbarer hygienischer Zustände ein Unternehmen der Fleischindustrie geschlossen worden, in NRW nun das: Bedingt durch Arbeits- und Unterbringungsbedingungen ist ein Coronahotspot entstanden. Die Liste der Sauereien in dieser Industrie lässt sich fortsetzen. Manchmal habe ich den natürlich völlig unzutreffenden Eindruck: Die Schweine sind nicht nur die, die geschlachtet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wem hier, meine Damen und Herren, der Appetit nicht vergeht, dem dürfte auch sonst alles egal sein. Ich bin kein Vegetarier und weiß sehr wohl, dass Wurst und der Braten nicht dadurch entstehen, dass die Tiere zu Tode gestreichelt werden. Ich weiß aber auch: Wenn ich mich zu Hause mit Metzgermeistern unterhalte, mit den anständigen Vertretern des Fleischerhandwerkes, dann wird in ihrer Arbeit ein Ethos deutlich, das ich bei den schwarzen Schafen in der Branche schmerzlich vermisse. In meiner Heimatstadt Frankfurt gab es über 600 Jahre lang einen kommunalen Schlachthof. Er wurde 1989 geschlossen, weil es damals als Aufweis gesellschaftlichen Fortschritts galt. Schließlich kann der Markt fast alles besser. Mittlerweile gibt es eine leise Nostalgie. Waren nicht im alten Schlachthof die Arbeitsbedingungen besser, auch die hygienischen Bedingungen? Vor allem aber - so fragt der Metzgermeister meines Vertrauens - ist es nicht besser, regionale Strukturen zu haben? Entspricht es nicht eher dem heutigen Denken, die Schnittstelle von Erzeugung und Verbrauch möglichst wohnortnah zu organisieren und nicht geografisch zu strecken?

Ist denn - so möchte man fortfahren - das, was wir jetzt vorfinden, mit der Idee des staatlichen Schutzauftrags für Tiere noch vereinbar, mit der Idee der christlichen Mitgeschöpflichkeit? Sicherlich, Gottes Auftrag aus der Bibel lautet: „Macht euch die Erde untertan.“ Aber war da nicht die treuhänderische, fürsorgliche Dimension mit eingeschlossen, die so wenig vereinbar scheint mit der industriellen Erzeugung und Vernichtung tierischen Lebens? Was hätten die biblischen Künder zu diesem Umgang mit dem tierischen Leben gesagt, angefangen vom unsäglichen Kükenschreddern bis zu dem Prozess der Fleischerzeugung unter fragwürdigsten Bedingungen?

Ich gestehe: Je mehr ich darüber nachdenke, desto größer wird die Versuchung, aus diesem System - konkret: aus dem Schweinesystem - durch Verweigerung auszusteigen. Das wäre eine sehr individuelle Entscheidung. Aber wir sind hier als Gesetzgeber gefragt. Das waren wir bereits vor einigen Jahren, als wir das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischindustrie verabschiedet haben. Wir sehen heute: Die Branche hat nichts verstanden. Man solle die Branche nicht unter Generalverdacht stellen, hat der Tage einer der Vertreter dieser Unternehmen gesagt. Ich denke aber doch. Wir sollten die Hoffnung nicht über die Erfahrung stellen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und des Abg. Dr. Christoph Hoffmann (FDP))

Ich persönlich glaube, dass wir noch einmal gesetzgeberisch tätig werden sollten.

(Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht nur einmal! - Ulli Nissen (SPD): Tätig werden müssen! )

-Ja, in der Tat, tätig werden müssen. - Es kann nicht angehen, dass das Instrument des Werkvertrags hier so missbräuchlich eingesetzt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn festangestellte Mitarbeiter nur noch in Randbereichen der geschäftlichen Aktivität zu finden sind, ist etwas faul. Arbeit in Schlachthöfen darf es nur noch im Rahmen einer Festanstellung geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das System mit osteuropäischen Arbeitskräften, die über Werksverträge angestellt sind, stinkt zum Himmel und muss beendet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen auch erheblich dichter kontrollieren. Fleisch darf nicht krank machen, weder über die Produktionsbedingungen noch über die Arbeitsbedingungen und auch nicht über die Wohnbedingungen. Wir sind nicht im Manchesterkapitalismus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich füge hinzu: Ich bin dem Kollegen Cronenberg für seine sehr nachdenklich stimmende Rede und die vielen Vorschläge, die er gemacht hat, ausgesprochen dankbar. Ich freue mich auf die Diskussion dazu im Ausschuss. Ich finde, das war ein sehr wertvoller Beitrag.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass wir auch hier im Deutschen Bundestag die notwendigen Mehrheiten finden. Denn es ist ja richtig: Kluge Menschen suchen für ein Problem eine Lösung, weniger kluge suchen einen Schuldigen, gelle, Herr Protschka?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP - Stephan Protschka (AfD): Eine Lösung hatte ich am Schluss! Ihr müsst aufpassen!)

Als persönliche Konsequenz, meine Damen und Herren, werde ich jedenfalls heute einmal etwas ausprobieren. Man sagt nämlich, vegetarisches Mett sei gar nicht so schlecht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

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