Bettina M. Wiesmann MdB und Christoph de Vries MdB (beide CDU): „Integration fördern und einfordern, Kommunikation mit Ansprechpartnern der liberal muslimischen Gemeinden nutzen und intensivieren. Besonders an den Schulen für Transparenz, Offenheit und Bewusstseinsbildung zu europäischen Grundwerten und religionskundlichen Fragen sorgen“

Die Frankfurter Bundestagsabgeordnete Bettina M. Wiesmann (CDU) hatte am Montag geladen, um mit Christoph de Vries MdB, der Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates sowie Islamforscherin Prof. Dr. Susanne Schröter in der Evangelischen Akademie Frankfurt vor interessiertem Publikum den Politischen Islam zu diskutieren. Die Corona-bedingt auf 30 Teilnehmer begrenzte Veranstaltung war restlos ausgebucht. Im Livestream konnten noch zahlreiche weitere Teilnehmer der Gesprächsrunde folgen. Die Moderation übernahm die Bundestagsabgeordnete.

„Der jüngste Anschlag von Würzburg und die grausamen Taten von Berlin, Dresden, Paris, Nizza und Wien in den vergangenen Monaten zeugen von einer Aktualität, der wir uns nicht verschließen können: Der gewaltbereite islamische Extremismus bedroht unsere freiheitliche Gesellschaft. Richtig ist zugleich, dass der allergrößte Teil der Musliminnen und Muslime absolut friedlich mit uns lebt, sich um Integration müht und keinerlei Anspruch hegt, Gesellschaft, Staat und Politik nach seinen religiösen Vorstellungen umzugestalten. Exakt hier liegt der Unterschied zum politischen Islam, der genau dies anstrebt, indem er Freiheits- und Menschenrechte torpediert und zeigt, dass er mit unserem Wertekompass nichts anfangen kann. Diese Themen gehören im Jahr 2021 weiter auf unser politisches Tableau“, so die Familien- und Bildungspolitikerin, die 2017 direkt in den Deutschen Bundestag gewählt wurde und im September abermals antritt.

Prof. Schröter unterstreicht in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Bildung und Wertevermittlung vom Kindesalter an: „Bekenntnisorientierter muslimischer Religionsunterricht an Schulen ist problematisch, weil man diesen Unterricht wegen der Gefahr der Beeinflussung durch radikale Staaten oder Organisationen in der Regel nicht muslimischen Verbänden überlassen kann. Hessen hat das Richtige getan und den islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit der türkisch kontrollierten DITIB beendet. Als Alternative erscheint momentan ein staatlicher Islamkundeunterricht sinnvoll, der vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt an muslimische Verbände übergeben werden kann. Unter allen Umständen müssen die Schulen ihrem Auftrag gerecht werden, unsere auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gegründete freiheitliche Ordnung zu vermitteln - einschließlich der besonderen Stellung der Religionsfreiheit.“

Christoph de Vries beschreibt den politischen Islam als Organisationen und Vertreter, „die eine Herrschaftsform anstreben, die unseren Werten wie Meinungsfreiheit, Pluralismus und Toleranz widerspricht. Die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit ist kein Freifahrtschein. Religiösem Extremismus muss politisch mit der gleichen Ablehnung und Distanz begegnet werden wie den Extremisten von links und rechts. Dem Handeln derjenigen, die unsere Wertvorstellungen ablehnen, müssen wir entschlossen entgegentreten. Die mangelnde Organisation der liberalen Muslime erschwert der Politik die Zusammenarbeit. Hier gilt es Ansprechpartner zu identifizieren, staatliche Unterstützung zu leisten und den Dialog zu suchen“, so de Vries, der eigens aus Hamburg angereist war, um das Panel mit seinem Fachwissen zu bereichern. Auf Initiative des Innenpolitikers hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im April dieses Jahres das Positionspapier „Die freiheitliche Gesellschaft bewahren, den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern, den Politischen Islamismus bekämpfen“ einstimmig beschlossen. Bereits im Juni hat daraufhin Bundesinnenminister Horst Seehofer einen „Expertenkreis Politischer Islamismus“ eingerichtet, der Bundesregierung und Bundestag über islamistische Strukturen, Aktivitäten und Einflüsse berichten soll.

Die Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş wies nachdrücklich auf die Unterschiede hin, die zwischen Islamverbänden auf der einen und liberalen Gemeinschaften auf der anderen Seite bestehen würden. Vom Grunde her werde eine starke Institutionalisierung von den meisten Gläubigen abgelehnt. „„Der Islam als Religion kann und darf nicht verkirchlicht, wie wir das vom Christentum kennen. Der Islam ist eine individualistische Religion. Kleinere, untereinander wenig verbundene Gemeinschaften, vor allem aber individuell den Islam friedlich und spirituell praktizierende Muslime herrschen vor. Islamverbände vertreten höchstens 15-20% der in Deutschland lebenden Muslime. Daher ist es weder richtig noch zielführend, wenn die Politik primär mit ebendiesen Verbänden zusammenarbeitet, zu denen sich die Mehrzahl der Musliminnen und Muslimen überhaupt nicht zugehörig fühlt. In der Folge werden liberale Muslime von der Politik nur unzureichend abgeholt und gleichzeitig islamkritische Menschen häufig als „rechts“ abgestempelt. Liberale Muslime sind das Feindbild radikaler und gewaltbereiter Muslime“, so Ateş.

Wiesmann nach der Veranstaltung: „Ich freue mich, dass wir für dieses wichtige Thema ein so hochkarätiges und zugleich breit aufgestelltes Podium gewinnen konnten. In unserer offenen und vielfältigen Zuwanderungsgesellschaft müssen wir Integration fördern und einfordern. Religiöse Bildung sowie das Erlernen toleranten und integrativen Verhaltens beginnen in den Familien und finden prägend in den Bildungseinrichtungen statt. Schließlich brauchen wir viel mehr Dialog mit den liberalen Muslimen und Gemeinden. Der Kontakt zu nur bedingt repräsentativen Organisationen und Verbänden genügt nicht mehr. Der verstärkte Austausch mit liberalen Vertretern ist ein wichtiges und lohnendes Ziel für Politik und Gesellschaft!

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