Aggressives Verhalten Chinas überschattet friedliche Entwicklung Taiwans

In dieser Sitzungswoche hat der Wetzlarer Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer (CDU) den Repräsentanten von Taiwan aus der Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Prof. Jhy-Wey Shieh erneut zu einem Meinungsaustausch über die aktuelle Situation des ostasiatischen Landes getroffen. Prof. Shieh hat die Einladung des Abgeordneten angenommen, erneut in den Wahlkreis von Irmer zu kommen, um vor Ort unter anderem Vertreter der IHK zu treffen. Immerhin ist Deutschland für Taiwan der bedeutendste Handelspartner in der Europäischen Union, umgekehrt ist Taiwan für uns der fünftwichtigste Handelspartner in Asien. Rund 300 deutsche Unternehmen sind in Taiwan ansässig.
Darüber hinaus thematisierte Prof. Shieh vor allem die zunehmend aggressivere Außenpolitik Chinas: „Die Versuche Chinas, sich die Taiwanstraße als wichtigste internationale Handelsstraße quasi einzuverleiben und damit eine der zentralsten Handelsrouten für Japan, Australien und auch europäische Exporte zu kontrollieren, nehmen an Intensität zu. Gleichzeitig sehen wir, wie schwierig es für Hong-Kong ist, sich dem Einfluss Pekings zu entziehen. Das muss den Bürgern Taiwans Sorgen bereiten. Wir wollen weiter in Freiheit leben und möchten nicht unter den politischen Einfluss Chinas fallen.“ Hans-Jürgen Irmer kann diese Sorgen durchaus verstehen: „Wir sehen zunehmend, dass die kommunistische Diktatur in Peking eine neue Form des Imperialismus betreibt. Seien es unkonditionierte Kredite für afrikanische Despoten, das Einkaufen in westliche Firmen im Bereich von Schlüsselindustrien, die neue Seidenstraßenpolitik oder das massive Aufrüsten ihres Militärs: Wir wären naiv zu glauben, dass das nicht Auswirkungen auf das friedliche Zusammenleben in der internationalen Staatengemeinschaft hat. Im Gegenteil: China versucht, Abhängigkeiten zu schaffen und Länder erpressbar zu machen. Hier müssen wir aufpassen! China hat eben nicht nur eine lange und faszinierende Geschichte und ein reiches kulturelles Erbe: China ist eine machtbewusste Nation, die zwar in Teilen marktwirtschaftliche Strukturen zulässt, aber ansonsten eine politische- kommunistische Diktatur ist, deren Willen zur Machtexpansion- und Projektion niemand unterschätzen darf. Ich bin froh, dass der Westen zunehmend aufwacht und auch gegenüber China deutlich wird. Die Verfolgung von Christen und Uiguren durch das chinesische Regime wird klar angeprangert. Die asiatischen Staaten und die USA haben enge politische und auch militärische Verbindungen, um sich den Expansionsbestrebungen Chinas entgegenzustellen. Das macht Hoffnung. Ich möchte nicht, dass meine Kinder und Enkelkinder irgendwann in einem Land aufwachen, in dem die Meinungsfreiheit beim Thema China aufhört und das Wahlrecht nicht mehr uneingeschränkt gilt wie es derzeit in Hong-Kong zu beobachten ist.“ Prof. Shieh brachte es mit einer Bemerkung auf den Punkt, die fast lustig ist, wenn es nicht so traurig wäre: „Taiwan denkt viel über das Staatsrecht nach. China dagegen hat Probleme mit dem Rechtsstaat.“ Zentrale Bedeutung für das Verständnis des Verhältnisses zwischen beiden Ländern ist die Entstehung der sog. „Ein-China-Politik“. Diese wurde als Folge des Konflikts zwischen Mao Zedong und Chiang Kai-shek nach 1949 geschaffen und geprägt und stellt bis heute die Grundlage für die politische Haltung Chinas gegenüber seinem Nachbarn dar. Doch Prof. Shieh stellt fest, dass sich in der Auslegung der „Ein-China-Politik“ einiges getan hat – gerade bei wichtigen Partnern wie den USA. Shieh: „Auch wenn sich international mit der Annahme der Resolution 2758 in der UN-Generalversammlung Peking als alleiniger Vertreter ansieht, so hat China nie in welcher Form auch immer in Taiwan regiert. Spätestens seit dem Tod des Sohns von Chiang Kai-shek hat diese Politik jede Grundlage und damit auch Bedeutung für uns verloren. Wir haben nichts gegen die Ein-China-Politik, solange klar ist, dass Taiwan nicht zu China zählt.“ Dennoch versucht China regelmäßig, diplomatischen Druck gegen sein Nachbarland auszuüben. Sei es durch das Fernhalten von wichtigen UN-Organisationen und Gremien wie der WHO oder dem Druck auf Veranstalter, Taiwan nicht einzuladen – es gibt viele Beispiele für das aggressive Vorgehen Pekings. Irmer hat zugesichert, auf diese Missstände aufmerksam zu machen und auch im Kollegenkreis für die schwierige Situation Taiwans zu sensibilisieren.

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