Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt mir beinahe unwirklich vor, nach den Wochen des Missvergnügens nun wieder zu Themen zu kommen, deren Behandlung die Menschen von uns eher erwarten

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

als die bühnengerechte Darbietung eines Stücks, über dessen Verortung als Drama, Tragödie oder Komödie ich mir noch nicht so ganz sicher bin.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswegen bin ich in Dankbarkeit wieder bei den Themen, die für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft zentral sind. Und da bietet der Haushalt im Bereich des Ministers für Arbeit und Soziales einiges, was sich hervorzuheben lohnt.

Erstens. Die Sozialausgaben sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Der Sozialausgabenanteil an den Primärausgaben hat 2018 eine Rekordhöhe erreicht. Ich erwähne das deshalb, weil manche glauben, Deutschland sei auf dem Weg in eine Abstiegsgesellschaft der sozialen Kälte. Das Gegenteil ist der Fall: Wir geben für Arbeit und soziale Sicherung mehr denn je aus, auch mit Blick auf den Anteil des Gesamthaushalts.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Aber nicht genug!)

Nun argumentieren einige: Ja, genau das ist das Problem - nicht wahr, Herr Fricke? -, wir geben viel zu viel aus für unsere Sozialsysteme. - Ich glaube das nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich bin davon überzeugt: Eine reife Demokratie ist nur diejenige, die den Menschen auch Teilhabechancen in der Demokratie eröffnet. Freiheit ist mehr als die gleiche Freiheit des Millionärs und des Bettlers, unter einer Brücke schlafen zu dürfen. Freiheit bedarf der sozialen Voraussetzungen. Diese müssen wir schaffen, damit die Menschen sich als Menschen gleicher Rechte und Pflichten erleben können und vor allen Dingen auch gleicher und gerechter Chancen.

Zweitens. Das wirtschaftliche Umfeld ist hervorragend. Hinsichtlich der Arbeitslosenquoten kommen wir von einem historischen Tiefststand zum nächsten. Die Anzahl der Jobs nimmt zu. Der Kollege Peter Weiß hat darauf hingewiesen. Wir wissen: Eine gute Wirtschaftspolitik ist Voraussetzung für gute soziale Leistungen, und deswegen müssen sich gute soziale Leistungen nicht nur daran messen lassen, dass sie Teilhabechancen eröffnen, sondern auch daran, was sie für unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit tun. Teilhabe ist auch Teilhabe an Arbeit und wirtschaftlicher Tätigkeit und insofern, Kollege Theurer, auch eine Investition. Richtig ist es deshalb, zu sagen: Wir geben noch mal etwas mehr Geld aus für Langzeitarbeitslose, um sie wieder in den Arbeitsprozess zu bringen oder um zu verhindern, dass ihre ganze Familie in den dauerhaften Bezug von Leistungen abrutscht, weil es kein Vorbild für einen strukturierten, am Erwerbsleben und der Selbstständigkeit orientierten Lebensentwurf in der Familie gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das können und dürfen wir nicht zulassen. Deswegen wird eines der wichtigsten Projekte dieser Legislaturperiode die Schaffung einer vernünftigen Perspektive für die Langzeitarbeitslosen sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Drittens. Unsere Sozial- und Arbeitsmarktpolitik vermeidet Extreme von links und rechts. Von den Kolleginnen und Kollegen der Linken sind wir ja bereits eine Politik gewohnt, die ich in Anlehnung an die Figur des Jago aus Shakespeares „Othello“ nur als politischen Jagoismus bezeichnen kann.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Öffne deinen Geldbeutel - dieser Ratschlag des Jago zeigt den puren Materialismus, mit dem er alle Probleme lösen will. Ist es bei Ihnen anders? Nein. Sozialpolitik ist bei Ihnen ein reiner Überbietungswettbewerb,

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Quatsch!)

und alle Probleme, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, können auch mit Geld gelöst werden. Der Beitrag der Kollegin Lötzsch hat das gezeigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Wo denn? - weiterer Zuruf von der LINKEN: Sehr gut, der Beitrag!)

Mehr Mindestlohn, mehr Rente, mehr von allem - auf diese einfache Formel lässt sich der Materialismus bringen,

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ihr macht zu wenig!)

der Ihre Politik kennzeichnet. Auch das ist im Übrigen eine Entwicklung: vom dialektischen und historischen Materialismus hin zum rein pekuniären Materialismus. Das ist die Essenz des Sozialismus heute.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Bei den populistischen Rechten ist die Richtung indes noch nicht so ganz klar. Der Strasser-Flügel der AfD kopiert munter die Anträge der Linken, während sich die Sozialdarwinisten bei der AfD mit Überlegungen hervortun, ob man die gesetzliche Rente nicht lieber gleich abschafft oder an einen Staatsbürgernachweis knüpft. Dazu passt, dass Sie uns - wie Frau Weidel mitgeteilt hat - „jagen wollen“. Meine Damen und Herren, vor meinem inneren Auge entfaltet sich da ein Bild: Da reitet die Freifrau von Weidel Seit‘ an Seit‘ mit dem Deichgrafen Gauland durch den Tiergarten, um verängstigte Christ- und Sozialdemokraten wieder ins Unterholz zu jagen,

(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)

um dann weiter- und weiter- und weiterzureiten, um an den neuen Grenzen der Festung Europa mit gestrecktem Galopp wie die Reiter der Apokalypse Flüchtlinge wieder ins Meer zurückzutreiben. - Genug! Wir lassen uns von Ihnen nicht jagen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Zurufe von der AfD: Doch! - Dr. Alexander Gauland (AfD): Sie ganz besonders, Herr Zimmer! Gerade die von der CDU! Das war mal ein anderer Haufen!)

Wir werden standhalten und Ihren Zumutungen trotzen. Wir werden uns nicht anstecken lassen von Ihrem Hass und von Ihrem Nationalismus,

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Sagen Sie das einmal Herrn Seehofer!)

und wir werden dafür sorgen, dass Sie aus den deutschen Parlamenten verschwinden und von Ihnen nichts bleibt als eine Fußnote im Kapitel über den hässlichen Deutschen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Dr. Alexander Gauland (AfD): Solange solche wie Sie da sind, Herr Zimmer, braucht man uns!)

Viertens. Meine Damen und Herren, der Haushalt ist ein gemeinsamer Haushalt von Union und SPD. Unsere Haushälter von Union und SPD haben hervorragend zusammengearbeitet. Dafür sage ich herzlichen Dank.

(Dr. Alexander Gauland (AfD): Das ist nun noch die CDU! Dass ihr euch nicht schämt!)

Wir beklagen nicht nur gesellschaftliche Probleme, sondern wir gehen mit dem Haushalt sie auch an. Einige davon hat der Kollege Axel Fischer genannt. Und wir sind überzeugt: Wir werden die Probleme lösen, das schafft Vertrauen, und wir schaffen das.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN - Lachen bei Abgeordneten der AfD - Dr. Alexander Gauland (AfD): Die Rede stellen wir ins Internet: „Wir schaffen das!“ Das gibt bestimmt viele Stimmen für die CDU - Gegenruf des Abg. Kai Whittaker (CDU/CSU): Wir schaffen auch Sie, Herr Gauland!)

Nicht, meine Damen und Herren, weil Optimismus Pflicht ist, sondern weil wir den Menschen etwas zutrauen, weil wir uns als selbstbewusste christliche und soziale Demokraten nicht jagen lassen, sondern dem Gift des Populismus trotzen,

(Zurufe von der AfD)

weil wir nicht zuletzt Parteien sind, die durch Verfolgung geprägt und aus ihr hervorgegangen sind,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

weil wir durch die Gegenwehr im Totalitarismus wissen, was die Würde des Menschen bedeutet - auch die des Arbeitslosen, auch die des Flüchtlings. Herr Witt und Frau Schielke-Ziesing, wir werden Sie Flüchtlinge und Arbeitslose nicht gegeneinander ausspielen lassen. Dieses Spiel machen wir nicht mit!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) - Dr. Alexander Gauland (AfD): Herrliche Rede! Warum wir nicht mehr CDU sind? Da habt ihr es! - Gegenruf der Abg. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wollen also Flüchtlinge gegen Arbeitslose ausspielen?)

Das, meine Damen und Herren, ist der Stolz, mit dem wir als Christdemokraten gemeinsam mit den sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen unsere Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betreiben und uns abgrenzen gegenüber denjenigen, die Menschen nur nach ihrer Nützlichkeit und nach ihrer Herkunft beurteilen. Das hatten wir schon einmal. Zu diesen sagen wir: Nie wieder!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN - Lachen bei Abgeordneten der AfD)

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